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Medea

Port 25 - Raum für Gegenwartskunst

Iannis Xenakis
  • SCHOLA HEIDELBERG | ensemble aisthesis

Leitung: Ekkehard Windrich

Werke von Iannis Xenakis, Franz Schubert, Juliana Hodkinson, Bernd Alois Zimmermann und Gérard Grisey

Mit seiner Medea senecae bezieht Iannis Xenakis eine Extremposition, die sich wohl nur in einem bedachtsamen Konzertprogramm und in Kenntnis seiner Biografie heute noch vermitteln lässt. Xenakis, der am 29. Mai 2022 seinen 100. Geburtstag gefeiert hätte, wird allgemein zu den bedeutendsten musikalischen Pionieren des 20. Jahrhunderts gezählt. Dass er sich wohl auch selbst als zum Äußersten entschlossenen Frontkämpfer sah, darf kaum verwundern: Im Zweiten Weltkrieg schloss sich Xenakis dem bewaffneten griechischen Widerstand gegen die italienisch-deutschen Besatzer an. Als 1944 Churchill die griechische Monarchie wieder einsetzte, kämpfte Xenakis im griechischen Bürgerkrieg weiter, auf der Seite der Kommunisten. Dabei erlitt er durch britischen Panzerbeschuss schwerste Verletzungen, die er nur knapp überlebte. 1947 floh er vor den antikommunistischen Verhaftungswellen nach Paris, wo es ihm trotz seines Status als illegaler, im Heimatland zum Tode verurteilter Flüchtling gelang, als Baustatiker bei Le Corbusier anzuheuern.

Medea senecae spiegelt viel von diesem Selbstverständnis wider. Der Medea-Stoff erfährt bei Seneca ohnehin eine Bedeutungsverschiebung gegenüber Euripides, durch die die Handlungsmotive Jasons nachvollziehbar werden. Senecas Chorgesänge rühmen zudem Jasons immense Verdienste um den zivilisatorischen Fortschritt. Xenakis vertont nun ausschließlich ebenjene Chorgesänge, während Medea selbst überhaupt nicht zu Wort kommt. Das Stück schließt im Gegenteil mit dem flammenden Appell des Chores, Jason von weiteren Strafen zu verschonen. Auch wenn heroische Männerbilder zur Zeit eine durchaus fragwürdige Renaissance erleben, muss diese Medea-Konzeption auf uns Heutige sehr archaisch wirken – so wie auch Xenakis‘ Musik in ihrer Kühnheit und brachialen Modernität.

Grund genug, in unserem Wandelkonzert im Port25, Medea und Männerbilder weiter zu verfolgen. Medea kommt mit ihren brodelnden Monologen selbst zu Gehör, sowie Bernd Alois Zimmermanns vierkanaliges Tonbandstück Tratto II, das ein Teil seines unvollendeten Medea-Großprojekts werden sollte. Die Männerchöre Franz Schuberts vermitteln demgegenüber eine empfindsame, wenig heldenhafte Perspektive voller Zweifel und Verzweiflung. Juliana Hodkinson wiederum lässt in (something in capitals) alle selbstgewissen Positionierungen zerfasern: mit großartigem Gespür für die Entfaltung von Klangquellen im Raum verschmelzt sie behutsam Satzfetzen, Worte und obskure Geräusche. Den Schlusspunkt bildet Gérard Griseys Stèle für zwei große Trommeln. Ursprünglich komponiert für einen verstorbenen Freund, setzt das Werk im Kontext dieses Konzerts ein stilles Mahnmal für die vermeintlich so entfernten Konflikte, die in Medea kulminieren.

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