Vertrauen auf die Wirkung
Die Komposition Ethica von Dániel Péter Biró beruht auf einer Auseinandersetzung mit dem gleichnamigen Hauptwerk des Philosophen Baruch Spinoza. Spinoza wuchs im siebzehnten Jahrhundert in den Niederlanden auf, in einer jüdischen, aus Portugal stammenden Gemeinde. Er war Teil einer Minderheit, die trotz aller Toleranz im damaligen Holland kritisch beäugt wurde. Und gleichzeitig war er selbst ein großer Kritiker seiner eigenen Religion und lag im Konflikt mit den Rabbinern. Am Ende wurde er aus der jüdischen Gemeinde ausgeschlossen.
Spinoza gilt als großer ethischer Denker. Mit einem unbestechlichen Blick nicht zuletzt auf die Bibel. Demokratisch gesinnt. Ein früher Kämpfer für Meinungsfreiheit und religiöse Toleranz, der jedoch zu seinen Lebzeiten nicht gehört wurde. Seine philosophische Beweisführung ist ungewöhnlich und kompliziert: er versucht, seine Ethik durch ein mathematisches System zu erklären.
Daniel Péter Biró übersetzt dieses Nicht-gehört-werden in seiner Komposition in ein Flüstern, das dennoch bis in die heutige Zeit durchdringt. Gleichzeitig ist Ethica wie ein mathematisch- musikalisches Gewebe aus Beziehungen. Beziehungen zwischen Zahlen und Tönen, Tönen und Wörtern, Wörtern und Zahlen. Biró schichtet alte Thoratexte und Spinoza-Zitate übereinander. Er setzt das Verhältnis zwischen Grund- und Obertönen um in rhythmische Strukturen. Er schafft Formen und Muster und dekonstruiert sie gleichzeitig wieder durch Verschiebungen. Alles scheint von einer Sehnsucht nach Ordnung getrieben zu sein und doch ist der leitende Grundgedanke seines Werkes: es gibt nichts, hinter dem nicht noch eine größere Ordnung steht.
Muss man das alles verstehen, um einen Zugang zu dieser Komposition zu bekommen? "Es ist gut, wenn man etwas weiß" meint Walter Nussbaum, Leiter des Klangforums. "Aber letztendlich geht es immer darum, der Wirkung der Musik zu vertrauen."