EINGESPERRT – 5. Aufführung
Stimmen aus dem Kopfgefängnis
Oldenburg, Theater Wrede +
- Clemens Gadenstätter: die zelle, 2020
- Yu-Hui Chang: Saving Faces (UA), 2020
- SHEN Ye: 空间/距离 Raum/Distanz (UA), 2020
- SCHOLA HEIDELBERG | ensemble aisthesis
Leitung: Walter Nußbaum
Veranstalter: KlangForum Heidelberg e. V.
Unser Projekt "EINGESPERRT" widmet sich zum einen Teil dem Schicksal eines gesellschaftlichen Außenseiters: Der deutsche Künstler Julius Klingebiel (1904-1965) war ein „Anderer“, ein als krank Ausgegrenzter. Er litt an paranoider Schizophrenie und wurde deshalb ab 1939 in mehrere Nervenkliniken eingewiesen, später war er Patient im Landeskrankenhaus Göttingen. Klingebiel galt als unheilbar, wurde nach dem NS- Erbgesundheitsgesetz zwangssterilisiert, überlebte aber sogar die NS-Tötungsaktionen. Ab 1951 bemalte er alle Wände seiner Zelle im Verwahrungshaus Göttingen. Die „Klingebiel-Zelle“ gilt heute als solitäres Werk der Art Brut. Weitere Informationen zu Julius Klingebiel finden Sie hier.
Zwei asiatische Kompositionen der Gegenwart, deren Ausgangspunkte schon geographisch nicht weiter auseinander liegen könnten, verbinden sich im Programm EINGESPERRT (nicht zuletzt dank der gegenseitigen Kontextualisierung mit Clemens Gadenstätters Klingebiel-Werk) zu einem ebenso vielschichtigen wie sinnlichen musikphilosophischen Diskurs über die persönliche Freiheit.
In Saving Faces von Chang Yu-Hui wird die künstliche Gesichtserkennung thematisiert, die weltweit, imautokratisch regierten China, ebenso wie im demokratischen Taiwan, immer selbstverständlicherpraktiziert wird. Potentiell kann sie jeden in seiner individuellen Freiheit beschränken.
In Babel von Shen Ye werden am Beispiel des Turmbaus zu Babel, der die Sprachengrenzen begründet und die Völker über den Welt-Raum zerstreut hat, der Beginn von Unverständnis, Abgrenzung, Distanz nachgezeichnet.
Ein Mensch in einer Zelle – Hinter einer Gesichtsmaske verborgen und digital vermessen – In einem Land – in einer Wohnung unter Quarantäne – Diese Facetten des Themas Eingesperrt werden im Konzert angesprochen. Es ist lange vor der Coronapandemie konzipiert worden – und jetzt brandaktuell.
Dieses Projekt wird u.a. gefördert durch die Karin Brass Stiftung sowie den Förderverein der Sozialpsychatrie Moringen e.V.
Karten gibt es vor Ort an der Abendkasse.